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Sonntag, 13. März 2016

Wissenschaft und Kunst als Synergieform

„Was immer wissenschaftlich erarbeitet wird, muss künstlerisch erprobt werden.“,
 äussert sich Ursula Brandstätter, Rektorin der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz im der Standard- Interview(1) zur Fusion von Wissenschaft und Kunst im gleichnamigen, neu hinzugekommenen Institut, welches mit dem Einzug in das neue Hauptgebäude im Oktober 2015 miteröffnet wurde. „Bei der wissenschaftlichen Forschung werden stets Artikel oder Bücher publiziert, bei der künstlerischen Forschung ist immer auch die künstlerische Präsentation und Verarbeitung zentral.“, Ursula Brandstätter weiter. 
Das eine kann vom anderen profitieren und einander gegenseitig neue Zugänge ermöglichen. Das Experimentieren, das Prozesshafte und Forschende sind beiden gemein, sowie Fragen zu stellen und Antworten zu finden, beziehungsweise sie hervor zurufen. 


Artistic Research


Unter dem Namen Artistic Research oder Künstlerische Forschung, erhielt dieses Feld in den vergangenen Jahren Einzug an Universitäten und erfährt neben dem regen Zulauf auch eine Haltung der „strikten Ablehnung, etwa deshalb, weil die Rollenzuschreibung „Wissensproduzent“ an die Künste letztlich nichts anderes sei als deren Instrumentalisierung in einer vom kognitiven Kapitalismus dominierten Gegenwart“, schreiben Jens Badura, Selma Dubach, Anke Haarmann im Vorwort von „Künstlerische Forschung. Ein Handbuch“(2). Doch was bedeutet es Wissensproduzent in einer gegenwärtigen Informationsgesellschaft zu sein? Wofür und für wen ist man Wissensproduzent. Wissenschaft und Kunst werden nicht nur durch den Staat, sondern vor allem durch die Wirtschaft und so zu derer Interesse gezielt gefördert und optimiert. Der Kapitalismus kauft ein. Die Angst, dass sich die Wirtschaft Geld in der eigenen Forschungsarbeit erspart indem sie Ihre Informationen und Erkenntnisse zukünftig vermehrt aus Kooperationen mit Kunstuniversitäten generiert, könnte so manch eine Person vom Gedanken einer weiteren Ausschlachtung geistig- emotionaler Ressourcen auf neuer Ebene hirnschwanger werden lassen.

Neue Nutzbarkeitsmachung


Das dies nicht abwegig ist wird aus der Geschichte der Nutzbarkeitsmachung von der Individualisierung und Selbstoptimierung des Menschen in der Arbeitswelt und in persona als Kaufkraft ersichtlich. Der Markt, die Unternehmen, wussten Ende der 1970er Jahre wie sie das aus der Hippiebewegung und dem Aussteigertum, der Selbsterfahrungs und Selbsversorgungsprojekten erschlossene Wissen um Soziologie und Psychologie einzusetzen hatten und griffen es für sich auf. Es entstand die Position des Managements im Unternehmen und die ersten Formen des Intrapreneurships, des Binnenunternehmertums, welches bestimmt, wie sich Mitarbeiter in Zusammenhang mit und im Unternehmen zu verhalten haben. Kurze Zeit später, Mitte der 1980er, begann die akademische Forschung um das Thema Intrapreneurship. 
Die Gradwanderung zwischen Zuspruch und Ablehnung um das Feld der Künstlerischen Forschung ist womöglich deswegen eine schmale, vor allem wenn davon ausgegangen wird, dass gerade der Kunst ein offener und subjektiver Zugang in den Geist des Menschen zugeschrieben wird. Der gemeinsame Nenner von Wissenschaft und Kunst ist ihr kreatives Potenzial, der Prozess hin zur Vollendung. „Kreativität soll einerseits mobilisiert und freigesetzt werden, andererseits soll sie reglementiert und gezügelt, auf die Lösung bestimmter Probleme gerichtet, von anderen aber ferngehalten werden. Entfesselung und Domestizierung sind dabei ununterscheidbar verwoben. Phantasmen vollständiger Steuerbarkeit müssen scheitern, weil Kreativität nicht auf Verfügbarkeit zu reduzieren und ohne ein Moment anarchischer Freiheit und Zerstörungslust nicht zu haben ist.“(3) 

Kreativitätspsychologie


Doch gibt es für diese Problematik eine psychologische Hilfestellung, die Kreativitätspsychologie. Sie widmet sich der Fragestellungen rund um das Thema der Kontingenz von Kreativität und ihrer Verfügbarkeitsmachung in allen Lebenslagen. 
„Die Konzepte der Kreativitätspsychologie weisen große Affinität zu den ökonomischen Bestimmungen ökonomischen Handelns auf; einige Psychologen übersetzen ihre Theorien sogar unmittelbar in ökonomische Kategorien.“ schreibt Ulrich Bröckling in „Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform“.(4)
Die Kunst hat von der Wissenschaft, jedoch auch umgekehrt wie etwa am Beispiel der Architektur, von jeher profitiert und sich mit ihr und durch sie verändert und entwickelt. Von Lithographie bis hin zu Computertechnik, aus welcher eine neue Kunstrichtung, die Mediale Kunst entstand. Gerade auf diesem Gebiet sind Erfindungen von heute Mittag schon von Gestern. Die Kunst gebiert sich weniger rasant, hier scheint vielmehr die Kreativwirtschaft an Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ob das an der Förderung des Marktes und dem allumfassenden Selbstopimierungszwang liegt, sei dahin gestellt. 



Computermusik

Eine Hervorbringungen von Wissenschaft in Kooperation mit Kunst, die bemerkenswert und vielleicht auch verstörend wirken kann, ist der IAMUS Computer.
 Iamus ist ein Computer Cluster, -Rechenverbund, verpackt in einer organisch anmutenden Kostümierung. Francesco Vico und sein Forschungsteam haben an der wissenschaftlichen Abteilung der Universität Malaga den ersten Typ dieses künstlichen Künstlers im Jahr 2010 vorgestellt.
Der Hochleistungscomputer Iamus lernt anhand der ihm eingegeben Daten. Merkmale der menschlichen Fähigkeiten und Eigenschaften, wie etwa die Anzahl der Finger an der menschlichen Hand, sowie dass es hiervon zwei gibt, bis hin zu den Möglichkeiten, welche eben diese fähig sind gleichzeitig an Tastenkombinationen zu spielen. Mithilfe von Musikern wurde Iamus beigebracht/ programmiert, was jeder Musiker am Beginn seines Instrumentalen Studiums lernt. Mithilfe des Wissens um zeitliche Abfolge, Stimmung und Instrumente, ist Iamus in der Lage immer neue zeitgenössische, klassische Stücke in Eigenkomposition hervorzubringen, die sich laut Angaben des Forschungsteams von Stücken aus menschlicher Feder nicht unterscheiden. 2012 wurde das Stück „Hello World“ von Iamus für Violine, Klarinette und Klavier im Rahmen des hundertsten Geburtstages des britischen Computer Pioniers und Mathematikers Alan Turing, in Malaga uraufgeführt.(5)



(Text: Sabine Pichler)

(1) Ursula Brandstätter; Interview; der Standard; [gedr.; 16.12.2015] 
(2) Jens Badura, Selma Dubach, Anke Haarmann; Vorwort; „Künstlerische Forschung. Ein Handbuch“; Diaphanes, 2015 
(3) Margo Hildreth Poulsen „Anarchy is a Learning Environment“, Journal of Creative Behavior;
Volume 9; Issue 2; 1975/ 2011;          
(4) Ulrich Bröckling; „Das Unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform“; Suhrkamp; 2007 
(5) https://www.youtube.com/watch?v=JOkslCT8DZU,
 http://geb.uma.es/fjv/ 

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